„Als ich in einzog, räumte ich erst einmal gründlich auf. Im Keller fand ich ein Objekt, einen Gegenstand der verpackt und eingewickelt war. Ich nahm ihn mit nach oben und ließ ihn unausgepackt stehen. Als ich dann eingeladen wurde einen künstlerischen Beitrag für einen Kindergarten abzugeben, öffnete ich dieses Paket um zu sehen was drin war, verpackte es erneut und reichte dieses Objekt ein. Ich nannte es Geschenk.“ Gabriele Obermaier
Ausziehen, Umziehen und Einziehen sind Schwellenereignisse die wir alle in unserem Leben teilen. Wir verlassen alte gewohnte Räume und beziehen neue ungewohnte. Real und fiktiv. In diesen neuen Räumen treffen wir auf Hinterlassenschaften die uns Zeugnis geben von den Geschichten anderer. Solche Gegenstände kennen wir alle. Wir schmeißen sie auf den Müll, wenn sie uns wertlos erscheinen. Für die wertvollen Dinge haben wir Ablöse bezahlt und sie so zum Gegenstand unserer Geschichte gemacht.
„Dem Sammler ist in jedem seiner Gegenstände die Welt präsent und zwar geordnet.“ Walter Benjamin, Passagenwerk, Erster Band S274
Das versammelnde Aneignen von Gegenständen in einem Raum nennen wir Be-wohnen. Hier bekommt alles seinen Platz und mit diesem seinen Sinn. Alle Dinge münden im Sammler der sie aus ihrer Zerstreutheit in der Welt herausnimmt und auf sich zentriert. Er gibt ihnen einen Platz in seinem Raum und seiner Geschichte. Er schafft einen Kosmos um sich darin einzurichten. Dafür bekommt er Sinn. Im Fetisch ist dieses Tauschgeschäft vollkommen.
Der Gegenpol zum Sammler ist der Allegoriker. Bei ihm ist die Welt in jedem seiner Gegenstände auch präsent, aber als Geheimnis. Er richtet die Dinge nicht auf sich zu und macht sie zu Komplizen seiner Gewohnheit, sondern lässt sie als geheimnisvolle Oberfläche, deren Berührung ihn rauszieht in offenes Terrain. Er ist bestimmt als Flaneur sich in die Weltseele einzufühlen. In dieser Welt wird nichts heimisch, sondern bleibt unendliche Faltung.
Gabriele Obermaier hat eine Skulptur gemacht, die als eine einzige Faltung erscheint. Im Gegenstand als Faltung verwischen sich die Kategorien von Innen und Außen von Substanz und Oberfläche, von Inhalt und Form zu einer Indifferenz. Der Gegenstand hört auf, dem neugierigen Ich entgegenzustehen, sondern wird zur Schwellenerfahrung von Ich und Welt. In dieser Veräumlichung gibt es weder totalen Sinn noch eigentlichen Sinn. Es ist die Markierung einer eigentümlichen Grenze in der Nichts Niemanden mehr zugehörig ist, aber auch nicht entbunden. In dieses Ereignis des Außen das ein Drinnen ist und des Innens das ein Draußen ist, muss nichts mehr geöffnet zu werden um die Wahrheit zu erblicken.
„Geschenk*“ ist eine Skulptur als Geste. Als Weitergabe einer Offenheit in der die Künstlerin nur Bote ist. Hermes einer Botschaft, die sich weder anmaßt im Auftrag des Absenders zu sprechen – Gesetz – , noch für die Empfänger – Sinn.
„Geschenk*“ ist folgerichtig seine eigene Doublierung als Möglichkeit der unendlichen Wiederholung und Reihung. Dass es von der Künstlerin in Bronze gegossen und als Variante seiner selbst als Auflagenobjekt in den Welt gebracht wird, ist die radikale Zuendeformulierung einer Haltung in der das Werk nicht konstitutives Merkmal eines Künstlerstars ist, sondern die Auftrittsmöglichkeit seines eigenen Verschwindens.
Hier ist vielleicht der entscheidende Unterschied zu Christo. Wenn er die Gegenstände durch Verpackung entleert und sie zu ihrem eigenen Nullpunkt bringt, dann ist er der Ent-Demiurg an der selbst die Dekonstruktion ein Selbst konstruiert, das sich als Ewig gebären möchte. Er ist so gesehen der Sammler seiner selbst. Gabriele Obermaier bleibt als Nachformerin und Nachgießerin auch hier weißes Blatt, das sich selbst in ihr eigenes Tun hineinfaltet.
Michael Hofstetter. 2011